Dienstag, Mai 17, 2005

Mobbt Migros Basel die Kranken?

Teuflische Atmosphäre
von Irène Kost

Migros Basel will angeblich bloss gesunde MitarbeiterInnen. Ihr Projekt «Gsund und Zwäg» bestraft aber jene, die krank werden.
«Die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden ist für die Migros Basel ein kostbares Gut.» Das steht im Begleitschreiben zum Projekt «Gsund und Zwäg». Dieses wurde den Vorgesetzten – den KostenstellenleiterInnen der Filialen in Basel – verteilt, die dann ihre Angestellten über das Projekt zu informieren hatten. «Gsund und Zwäg» sieht vor, dass nach jeder Absenz aus gesundheitlichen Gründen in Zukunft ein Gespräch zwischen MitarbeiterIn und Vorgesetztem geführt wird. Bereits nach mehrmaligem Kranksein innerhalb eines Jahres soll mit Verwarnung gedroht werden. Erkrankt der Verwarnte dann nochmals, wird er zum Massnahmengespräch aufgeboten. «Über die Situation des einzelnen Mitarbeitenden hinaus geht es hier um den Schutz der Gemeinschaft aller Mitarbeitenden der Genossenschaft Migros Basel», heisst es im Papier. Die Personalbereichsleitung könne «gegebenenfalls eine Verwarnung oder Kündigung aussprechen».
Wieso führt die Migros plötzlich so restriktive Sanktionen ein? «Ich bin irritiert, dass man uns komplett falsch versteht», sagt der Personalleiter Christian Müller. Bei «Gsund und Zwäg» gehe es primär um Prävention. «Der grösste Teil der Angestellten, 60 Prozent, ist nie krank, und wir hegen keine Hintergedanken. Und bei denen, die krank sind, wollen wir durch die Gespräche die Ursache ergründen», erklärt Müller. Die Papiere würden den Ablauf «in extremis» schildern, und das hätten die Vorgesetzten den Angestellten zum Teil falsch kommuniziert.
Müllers Beteuerungen zum Trotz: Ein Bezug zur Prävention ist auf dem Papier nicht auszumachen. «Im Rahmen der ganzen Prävention geht es auch um Bewegung, Ernährung oder die Impfkampagne. Dies läuft im Moment erst auf Sparflamme, nächstes Jahr werden wir mehr Gewicht darauf legen», verteidigt Müller das Projekt.
N. P., Verkäufer in einer Basler Filiale, hat vom Projekt «Gsund und Zwäg» gehört, «aber man sagte mir, es sei nicht für mich bestimmt, sondern für diejenigen, die immer krank seien». Andererseits hat er die Migros von der «knallharten» Seite schon selber erfahren. «Als ich wegen einer Salmonellenvergiftung, von einem Mayonnaisebrötli der Migros, für längere Zeit krank geschrieben war, wurde mir auch mit Entlassung gedroht.» Christian Lupner, Sekretär bei der Gewerkschaft VHTL (Verkauf, Handel, Transport, Lebensmittel) in Basel, kennt ähnliche Stossrichtungen im Umgang mit kranken Angestellten auch von andern Grossverteilern. Rechtlich seien solche Massnahmen nicht anfechtbar. «Es wird viel Schindluderei betrieben, aber das Vorgehen der Migros ist sehr taff», sagt Lupner. Grundsätzlich habe die Arbeitsbelastung im Verkauf in den letzten Jahren stark zugenommen. «Das Damoklesschwert hängt über den Angestellten, in teuflischer Atmosphäre muss gearbeitet werden, und wenn man krank wird, wird man noch bestraft.»