Freitag, Januar 20, 2006

Kleinlicher Grossverteiler

Die Migros baut in Basel einen Gebäudekomplex um und kündigt den Mieteren auf Ende 2006. Dabei zeigt sich der orange Riese wenig kulant – und das Mietrecht offenbart Lücken.

Von Bernhard Raos, Beobachter Nr. 2, 20. Januar 2006

Peter Küng, Medienverantwortlicher bei Migros Basel, hält sich bedeckt: «Wir werden von Fall zu Fall ent­scheiden und möchten dies nicht öffentlich kommentieren.» Einer der «Fälle» ist Be­obachter-Abonnent Thomas Schmutz, ein von der Migros auf Ende 2006 gekündig­ter Mieter im Basler Drachen-Center. Der Kulturunternehmer hat bisher vergeblich an das «soziale Kapital» appelliert: «Die Migros will mir nicht entgegenkommen.» Darum gehts: Im September 2004 hatte die Migros den Gebäudekomplex in der Aeschenvorstadt mit Ladenpassage, Büros, Hotel und Wohnungen für rund 20 Millionen Franken aus der Konkursmasse der Drachen AG ersteigert. Ein halbes Jahr später erhielt ein Grossteil der Mieter die Kündigung: Der orange Riese will um­bauen und meldete Eigenbedarf an. Die Neueröffnung ist auf 2008 geplant.
Für mehrere Betroffene entpuppt sich die auf den ersten Blick grosszügig be­messene Kündigungsfrist bis zum 30. No­vember 2006 als Pferdefuss. So auch für Thomas Schmutz. Er machte sich gleich auf die Suche, denn passender Wohnraum ist auch in Basel ein rares Gut.
Die Migros pocht aufs Mietrecht
Schmutz wurde fündig und kündigte seine Wohnung im Drachen-Center ordentlich auf Ende Januar. Sein Problem: Trotz be­legbaren mehrfachen Bemühungen hat er noch keinen Nachmieter gefunden. Was nicht verwundert, denn wer zieht schon in eine Wohnung, aus der er in wenigen Monaten wieder raus muss.
«Ich bin davon ausgegangen, dass sich der Vermieter in einem solchen Fall kulant zeigt. Doch die Migros pocht auf den Vertrag», erzählt Thomas Schmutz enttäuscht. Hat der Vermieter die Kündi­gung ausgesprochen, gilt die normale Kün­digungsfrist laut Vertrag, und der Mieter muss für Ersatz sorgen. Weil Schmutz keinen Ersatzmieter fand, muss er also während fast dreier Monate für zwei Woh­nungen den Mietzins bezahlen -ausser die Vermieterin lenkt doch noch ein. Wie viele Betroffene vorzeitig aus dem Mietvertrag aussteigen wollen. sagt der Grossverteiler nicht. Wohl um keine Begehrlichkeiten zu wecken. In zwei Fällen sind Verfahren vor der Schlichtungsstelle hängig. Doch da geht es um Fristerstreckung.
Das Beispiel offenbart einen System­fehler im Mietrecht. Hier handle es sich um eine "Gesetzeslücke", kritisieren die Experten Andreas Brunner, Daniel Stoll und David Lachat in ihrem Standardwerk «Mietrecht für die Praxis“. Denn: «Wegen der kurzen Vertragsdauer...(weiter im Beobachter).