Donnerstag, Mai 19, 2005

Unruhe in der Migros-Zentrale

Die Mitarbeitenden im Marketing müssen ihren Lebenslauf neu einreichen. So soll beurteilt werden, wo sie weiterbeschäftigt werden - und ob überhaupt.
Von Marcel Odermatt - Tages-Anzeiger

«Skills Performance» nennt sich das Pro­jekt. Es sorgt im Hochhaus des Migros-Genossenschafts-Bundes am Zürcher Lim­matplatz derzeit für schlechte Stimmung. Vor allem ältere Mitarbeitende und sol­che, die schon länger für den Detail­handelsriesen arbeiten, sind verärgert über das unkonventionelle Vorgehen ih­res Arbeitgebers.

90o aktualisierte Lebensläufe

Rund 900 Angestellte im betroffenen Departement Marketing müssen diese Tage elektronisch ihren Lebenslauf eintip­pen. Dazu gehören Angaben über die Aus­bildung, Diplome oder die Berufserfah­rung. «Das kommt mir vor, als müsste man sich wieder für einen Job neu bewerben», beklagt sich ein Mitarbeiter. Dies wird von der MIGROS jedoch in Abrede gestellt. «Die Informationen werden dafür verwendet, um die Angestellten den neuen Geschäftseinheiten zuzuordnen», sagt Sprecher Urs-Peter Naef. Zudem diene die Aktion dazu, die Personaldossiers wieder auf den neusten Stand zu bringen.

Trotz diesen Beteuerungen ist die Ver­unsicherung gross. Viele Angestellte stel­len einerseits einen Kulturwandel fest und realisieren andererseits, dass sich ihr Un­ternehmen anderen Grosskonzernen im­mer ähnlicher verhält. Rentabilität und Ef­fizienz rücken auf der Prioritätenliste der MIGROS, die sich in der Vergangenheit ein­mal die Idee des sozialen
Kapitals auf die Fahnen geschrieben hatte, immer weiter nach oben.

Denn bei diesem Pro­jekt geht es auch um Stel­lenabbau. Im Zuge des an­gekündigten Umbaus der Marketingabteilung wer­den 100 bis 150 Stellen ge­strichen. Bis Anfang Mai soll das Projekt abge­schlossen sein. Dann wird auch bestimmt sein, wer weiter beschäftigt wird und wer nicht. Weil 59 Stellen derzeit vakant und weitere 19 befristet sind und die Fluktua­tion rund 10 Prozent beträgt, geht Spre­cher Naef heute davon aus, dass Entlas­sungen so weit wie möglich vermieden werden können. (Wie mein Beispiel zeigt, stimmt das so nicht. Oder es war ein persönlicher Racheakt gegen mich.)

Das Vorgehen zeigt, wie ernst es Urs Riedener mit dem radikalen Umbau seiner Abteilung ist. Der Marketingleiter, der in der internen Ausmarchung zum MIGROS Chef gegen Herbert Bolliger den Kürzern zog, will das von den Beratern McKinsey mit aufgegleiste «Skills Performance»­Vorhaben erfolgreich durchziehen. Dabei geht es dem orange Riesen um Einsparun­gen in der Höhe von 18 Millionen Franken. Was das Projekt umgekehrt den Genos­senschafts-Bund kostet, will die MIGROS nicht bekannt geben.

Mit der Restrukturierung wird die Tren­nung in der Marketingabteilung zwischen Food/Near food und Nonfood aufgehoben. Stattdessen werden sie­ben Geschäftseinheiten geschaffen (Frische, Kolo­nial, Nearfood, Nonfood, Fachmärkte, Services and New Business). Gleichzei­tig wird die Anzahl der Direktionen von 17 auf 8 reduziert. Die neuen Chefs sind seit Mitte Dezember bestimmt. Die Überzähligen haben ihre Direktionsfunktion verloren.
Mit der Neustrukturierung des Marke­tings schliesst die MIGROS das im ver­gangenen Frühling gestartete Reorga­nisationsprogramm ab. Das Sparziel von 15 Prozent ist gemäss Naef erreicht wor­den, allerdings müsse sich die Nachhal­tigkeit erst noch zeigen. Das Rationalisierungsprogramm wurde vom amerika­nischen Beratungsunternehmen McKin­sey ausgearbeitet.