Freitag, Oktober 05, 2007

Nichts unversucht lassen

«Es vergeht kein Tag, ohne dass ich eine oder mehrere Bewerbungen schreibe», sagt Markus Hablützel*. Der 55-Jährige tut dies seit mittler­weile fünf Jahren. 400- oder 500-Mal hat er sich mittlerweile beworben. So genau kann er das nicht mehr sagen. Er hat längst aufgehört zu zählen. Ganze drei Mal wurde er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.

Zuletzt war Markus Hablützel im Direktions­kader einer Schweizer Privatbank tätig, aller­dings nur ein Jahr lang. Zuvor arbeitete er als selbstständiger Berater im Allfinanz-Bereich. Von der neuen Stelle versprach er sich eine gewisse Kontinuität und Sicherheit. Er unter­zog sich einem ausserordentlich aufwändigen Bewerbungsprozedere mit zehn Vorstellungs­gesprächen. Die Enttäuschung war gross, als er nur ein halbes Jahr später die Kündigung erhielt. Die Bank hatte eine andere gekauft. Als Folge dieser Übernahme wurde seine Stelle gestrichen. Die Bank entliess ihn mit einer Abfindung und bezahlte ihm eine Outplace­ment-Beratung, was ihm seiner Meinung nach aber nichts brachte.

Er meldete sich auf dem Regionalen Ar­beitsvermittlungszentrum RAV. Dort wurderasch klar, dass ihm bei der Stellensuche nie­mand helfen konnte. So nahm er die Unterstüt­zung von Personalvermittlern in Anspruch. Er habe mit Freude zur Kenntnis genommen, sagt Markus Hablützel, als ein Headhunter ihm vor einigen Monaten gesagt habe, mit dem Ju­gendlichkeitswahn sei es vorbei, der Trend gehe jetzt in eine andere Richtung: ältere und erfahrene Leute seien wieder gefragt. Heute, ein paar Dutzend Bewerbungen später, stellt Markus Hablützel ernüchtert fest, dass er von diesem angeblichen Trend bisher nichts ge­merkt, geschweige denn davon profitiert hat. «In den Firmen wird zu wenig sozial gedacht, die Unternehmen machen Profit auf Kosten der Arbeitnehmer.» An den Personalvermittlern liegt es seiner Meinung nach nicht. Diese be­teuerten ihm gegenüber immer wieder, dass sie gerne auch Ältere vermitteln würden, doch seien die Vorgaben der Firmen derart rigoros – bezüglich des Alters beispielsweise liege die Limite allerhöchstens bei 45 – dass sie fürch­teten, ihre Aufftraggeber zu verlieren, wenn sie ihnen nicht einen hundertprozentig dem Anfor­derungsprofil entsprechenden Kandidaten vor­schlagen würden.

Heute ist Markus Hablützel von der Fürsor­ge abhängig. Die zermürbende Suche nach einer neuen Stelle hat sich auch auf sein Privat­leben ausgewirkt. Seine Frau zog mit dem Kind aus der gemeinsamen Wohnung aus. Am wich­tigsten ist ihm momentan, dass er gesund bleibt. Er hat miterlebt, wie Kollegen in ähn­lichen Situationen mit psychischen Problemen kämpfen. Und wie schafft er es nach den un­zähligen Absagen überhaupt noch, Bewer­bungen zu verschicken? Er wolle die Hoffnung nicht aufgeben und dürfe einfach nichts unver­sucht lassen, sagt Markus Hablützel. Am liebs­ten wäre ihm eine Stelle im Vertrieb oder im Marketing eines Finanzdienstleisters.

Labels: , , , , , ,

1 Comments:

Anonymous Vitus Lorry said...

Also wenn man ein guter Mitarbeiter ist und ca. 400 Bewerbung verschickt hat, warum funktioniert es dann nicht, dass er eine Stelle bekommt. Entweder waren die Bewerbungen so schlecht, dass jeder diese wieder wegschmiss oder er war nicht wirklich eine angenehme, fleissige Person. So schwer ist es nämlich nicht eine Stelle zu finden.

Mai 02, 2012 3:34 PM  

Kommentar veröffentlichen

<< Home