Nichts unversucht lassen
«Es vergeht kein Tag, ohne dass ich eine oder mehrere Bewerbungen schreibe», sagt Markus Hablützel*. Der 55-Jährige tut dies seit mittlerweile fünf Jahren. 400- oder 500-Mal hat er sich mittlerweile beworben. So genau kann er das nicht mehr sagen. Er hat längst aufgehört zu zählen. Ganze drei Mal wurde er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.
Zuletzt war Markus Hablützel im Direktionskader einer Schweizer Privatbank tätig, allerdings nur ein Jahr lang. Zuvor arbeitete er als selbstständiger Berater im Allfinanz-Bereich. Von der neuen Stelle versprach er sich eine gewisse Kontinuität und Sicherheit. Er unterzog sich einem ausserordentlich aufwändigen Bewerbungsprozedere mit zehn Vorstellungsgesprächen. Die Enttäuschung war gross, als er nur ein halbes Jahr später die Kündigung erhielt. Die Bank hatte eine andere gekauft. Als Folge dieser Übernahme wurde seine Stelle gestrichen. Die Bank entliess ihn mit einer Abfindung und bezahlte ihm eine Outplacement-Beratung, was ihm seiner Meinung nach aber nichts brachte.
Er meldete sich auf dem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum RAV. Dort wurderasch klar, dass ihm bei der Stellensuche niemand helfen konnte. So nahm er die Unterstützung von Personalvermittlern in Anspruch. Er habe mit Freude zur Kenntnis genommen, sagt Markus Hablützel, als ein Headhunter ihm vor einigen Monaten gesagt habe, mit dem Jugendlichkeitswahn sei es vorbei, der Trend gehe jetzt in eine andere Richtung: ältere und erfahrene Leute seien wieder gefragt. Heute, ein paar Dutzend Bewerbungen später, stellt Markus Hablützel ernüchtert fest, dass er von diesem angeblichen Trend bisher nichts gemerkt, geschweige denn davon profitiert hat. «In den Firmen wird zu wenig sozial gedacht, die Unternehmen machen Profit auf Kosten der Arbeitnehmer.» An den Personalvermittlern liegt es seiner Meinung nach nicht. Diese beteuerten ihm gegenüber immer wieder, dass sie gerne auch Ältere vermitteln würden, doch seien die Vorgaben der Firmen derart rigoros – bezüglich des Alters beispielsweise liege die Limite allerhöchstens bei 45 – dass sie fürchteten, ihre Aufftraggeber zu verlieren, wenn sie ihnen nicht einen hundertprozentig dem Anforderungsprofil entsprechenden Kandidaten vorschlagen würden.
Heute ist Markus Hablützel von der Fürsorge abhängig. Die zermürbende Suche nach einer neuen Stelle hat sich auch auf sein Privatleben ausgewirkt. Seine Frau zog mit dem Kind aus der gemeinsamen Wohnung aus. Am wichtigsten ist ihm momentan, dass er gesund bleibt. Er hat miterlebt, wie Kollegen in ähnlichen Situationen mit psychischen Problemen kämpfen. Und wie schafft er es nach den unzähligen Absagen überhaupt noch, Bewerbungen zu verschicken? Er wolle die Hoffnung nicht aufgeben und dürfe einfach nichts unversucht lassen, sagt Markus Hablützel. Am liebsten wäre ihm eine Stelle im Vertrieb oder im Marketing eines Finanzdienstleisters.
Labels: arbeitslos, ausgesteuert, RAV, sozial, Sozialbehörden, Stellenabbau, Wirtschaft
1 Comments:
Also wenn man ein guter Mitarbeiter ist und ca. 400 Bewerbung verschickt hat, warum funktioniert es dann nicht, dass er eine Stelle bekommt. Entweder waren die Bewerbungen so schlecht, dass jeder diese wieder wegschmiss oder er war nicht wirklich eine angenehme, fleissige Person. So schwer ist es nämlich nicht eine Stelle zu finden.
Kommentar veröffentlichen
<< Home