Samstag, Februar 03, 2007

Suche nach dem richtigen Weg

Die 5. IV-Revision hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, mehr Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Ein Mensch, nennen wir ihn Hans Meier, arbeitet als Sachbearbeiter in einem KMU. Als der Betrieb in eine Krise rutscht, häufen sich seine Absenzen. Einmal setzen ihn Rückenschmerzen ausser Gefecht, dann muss er wegen eines Burn-Outs einen Kuraufenthalt absolvieren, danach schreibt ihn der Arzt wegen einer Depres­sion krank. Als im Betrieb schliesslich Stel­len abgebaut werden, muss Meier, der zu jenem Zeitpunkt gerade einmal nicht krank geschrieben ist, als erster gehen.

Er meldet sich beim RAV an und liefert pflichtschuldig, aber ohne Motivation seine zehn Bewerbungsbemühungen pro Monat ab, denn er weiss, dass seine Qualifika­tionen auf dem Arbeitsmarkt nicht gerade gefragt sind. Er besucht den einen oder an­deren Weiterbildungskurs, nimmt an einem Beschäftigungsprogramm teil – und ist nach Ablauf der 400 Wochentage, in denen er Taggelder erhält, immer noch arbeitslos. Physisch wie psychisch baut er auch in die­ser Zeit massiv ab.

Danach reichen die Ersparnisse noch ein Jahr, bevor er den Gang aufs Sozialamt nicht mehr abwenden kann. Der zuständige So-zialarbeiter schickt ihn erneut in Beschäftigungsprogramme, um seine Arbeitsmarkt­fähigkeit zu erhöhen, doch der gewünschte Erfolg bleibt aus. Meiers Gesundheitszu­stand verschlechtert sich in all dieser Zeit zusehends, und irgendwann fordert ihn der Sozialarbeiter auf, sich bei der IV anzumelden.

Diese lässt Meier nach einer Wartefrist abklären und kommt zum wenig überra­schenden Schluss, dass Meiers Verfassung ursächlich mit seiner Situation zusammen­hänge. Was er brauche, sei deshalb keine Rente, sondern berufliche Massnahmen, die ihm den Weg zurück ins Erwerbsleben ebnen. Über fünf Jahre nach den ersten Krankheitssymptomen steht Hans Meier wieder ganz am Anfang.

VORPROGRAMMIERT

Hans Meier gibt es nicht. Nicht erfunden hingegen ist der Gang durch die Institutio­nen. Wenn sich alle involvierten Amtsstellen und Versicherungen streng an den Buchsta­ben des Gesetzes halten, dann kann dieser Abstieg in Raten im Gegenteil im schlimms­ten Fall genau so vor sich gehen. In den Aktenschränken der IV und der Sozialbehör­den stapeln sich heute ähnlich gelagerte Fälle.

Das ist weniger die Schuld der Institutio­nen, sondern der Gesetze, die jedem ein­zelnen Sozialwerk bestimmte Aufgaben zu­weisen. Das RAV hat keine Berechtigung, gesundheitliche Abklärungen anzuordnen, die Sozialämter kommen als subsidiäre Be­hörde gemäss Auftrag erst dann zum Zug, wenn alle anderen Möglichkeiten ausge­schöpft sind, und die IV wird erst einge­schaltet, wenn sich jemand von sich aus anmeldet – sei es aus freien Stücken oder auf Weisung des Sozialamtes. Das ganze System ist geradezu darauf ausgelegt, schwer vermittelbare, gesundheitlich ange­schlagene Menschen aufs Abstellgleis zu schieben. Die Folgen: Die Zahl der Fürsor­geabhängigen steigt abgesehen von kon­junkturellen Schwankungen seit Jahren konstant an, und bei der IV sind es vor allem psychische Leiden, welche für den rasanten Anstieg der Rentenanträge in den vergan­genen 15 Jahren gesorgt haben. Wer heute nicht voll leistungsfähig ist, hat es immer schwerer, im Arbeitsmarkt eine Nische zu finden.

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1 Comments:

Anonymous Anonym said...

Allerdings sind melden sich Viele schon früh, dh. vor ihrere Anmeldung beim RAV bei der IV, müssen aber lange warten und werden als zu wenig krank eingestuft, sodass sie keine Leistungen erhalten. Der Arbeitsmarkt aber verlangt immer noch top gesunde und belastbare, top ausgebildete und junge Kandidaten. Da kann dann weder eine IV-Revision noch eine sonstige Institution helfen, jedenfalls keine, die es heute gibt! Denn das Problem ist nicht die lange Wartezeit, sondern die Inkompatibilität der Bewerber mit den Ansprüchen des Marktes. Und es ist nicht Jedem und Jeder gegeben, sich diesen Erfordernissen anzupassen!

April 24, 2007 3:21 PM  

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