Suche nach dem richtigen Weg
Die 5. IV-Revision hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, mehr Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Ein Mensch, nennen wir ihn Hans Meier, arbeitet als Sachbearbeiter in einem KMU. Als der Betrieb in eine Krise rutscht, häufen sich seine Absenzen. Einmal setzen ihn Rückenschmerzen ausser Gefecht, dann muss er wegen eines Burn-Outs einen Kuraufenthalt absolvieren, danach schreibt ihn der Arzt wegen einer Depression krank. Als im Betrieb schliesslich Stellen abgebaut werden, muss Meier, der zu jenem Zeitpunkt gerade einmal nicht krank geschrieben ist, als erster gehen.
Er meldet sich beim RAV an und liefert pflichtschuldig, aber ohne Motivation seine zehn Bewerbungsbemühungen pro Monat ab, denn er weiss, dass seine Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt nicht gerade gefragt sind. Er besucht den einen oder anderen Weiterbildungskurs, nimmt an einem Beschäftigungsprogramm teil – und ist nach Ablauf der 400 Wochentage, in denen er Taggelder erhält, immer noch arbeitslos. Physisch wie psychisch baut er auch in dieser Zeit massiv ab.
Danach reichen die Ersparnisse noch ein Jahr, bevor er den Gang aufs Sozialamt nicht mehr abwenden kann. Der zuständige So-zialarbeiter schickt ihn erneut in Beschäftigungsprogramme, um seine Arbeitsmarktfähigkeit zu erhöhen, doch der gewünschte Erfolg bleibt aus. Meiers Gesundheitszustand verschlechtert sich in all dieser Zeit zusehends, und irgendwann fordert ihn der Sozialarbeiter auf, sich bei der IV anzumelden.
Diese lässt Meier nach einer Wartefrist abklären und kommt zum wenig überraschenden Schluss, dass Meiers Verfassung ursächlich mit seiner Situation zusammenhänge. Was er brauche, sei deshalb keine Rente, sondern berufliche Massnahmen, die ihm den Weg zurück ins Erwerbsleben ebnen. Über fünf Jahre nach den ersten Krankheitssymptomen steht Hans Meier wieder ganz am Anfang.
VORPROGRAMMIERT
Hans Meier gibt es nicht. Nicht erfunden hingegen ist der Gang durch die Institutionen. Wenn sich alle involvierten Amtsstellen und Versicherungen streng an den Buchstaben des Gesetzes halten, dann kann dieser Abstieg in Raten im Gegenteil im schlimmsten Fall genau so vor sich gehen. In den Aktenschränken der IV und der Sozialbehörden stapeln sich heute ähnlich gelagerte Fälle.
Das ist weniger die Schuld der Institutionen, sondern der Gesetze, die jedem einzelnen Sozialwerk bestimmte Aufgaben zuweisen. Das RAV hat keine Berechtigung, gesundheitliche Abklärungen anzuordnen, die Sozialämter kommen als subsidiäre Behörde gemäss Auftrag erst dann zum Zug, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, und die IV wird erst eingeschaltet, wenn sich jemand von sich aus anmeldet – sei es aus freien Stücken oder auf Weisung des Sozialamtes. Das ganze System ist geradezu darauf ausgelegt, schwer vermittelbare, gesundheitlich angeschlagene Menschen aufs Abstellgleis zu schieben. Die Folgen: Die Zahl der Fürsorgeabhängigen steigt abgesehen von konjunkturellen Schwankungen seit Jahren konstant an, und bei der IV sind es vor allem psychische Leiden, welche für den rasanten Anstieg der Rentenanträge in den vergangenen 15 Jahren gesorgt haben. Wer heute nicht voll leistungsfähig ist, hat es immer schwerer, im Arbeitsmarkt eine Nische zu finden.
Labels: arbeitslos, ausgesteuert, IV, RAV, Sozialbehörden
1 Comments:
Allerdings sind melden sich Viele schon früh, dh. vor ihrere Anmeldung beim RAV bei der IV, müssen aber lange warten und werden als zu wenig krank eingestuft, sodass sie keine Leistungen erhalten. Der Arbeitsmarkt aber verlangt immer noch top gesunde und belastbare, top ausgebildete und junge Kandidaten. Da kann dann weder eine IV-Revision noch eine sonstige Institution helfen, jedenfalls keine, die es heute gibt! Denn das Problem ist nicht die lange Wartezeit, sondern die Inkompatibilität der Bewerber mit den Ansprüchen des Marktes. Und es ist nicht Jedem und Jeder gegeben, sich diesen Erfordernissen anzupassen!
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